Dienstag, 18. April 2017

Erklärung der G7-Kulturminister

Vom 20-21. 3. trafen sich die Kulturminister der G7-Staaten in Florenz. Dabei wurde eine Erklärung zum Kulturerbe beschlossen:
Die Erklärung konstatiert, dass Kulturerbe aus drei Gründen wichtig sei und zwar als:
  1. Identitätsstiftung
  2. Wirtschaftsfaktor 
  3. Faktor und Thema der Technologie.
Ich halte diese Liste für probematisch, denn Identitätsstiftung bedeutet immer auch Ausgrenzung. Archäologie und Geschichte haben da in der Forschungsgeschichte schon einige negative Erfahrungen gemacht. Sicher schafft Kulturerbe Identität, aber das ist durchaus nicht immer positiv besetzt. Auch die Terroristen, die Kulturgüter zerstören - der zentrale Thema der Erklärung - schaffen sich ihre Identität aus der Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe, indem sie es zerstören.
Kulturerbe kann und ist duchaus ein Wirtschaftsfaktor, aber es vor allem unter diesem Faktor zu betrachten ist gefährlich, denn das geht schnell an die Substanz der Quellen und zu Lasten einer seriösen Auseinandersetzung. 
Kulturerbe als Faktor und Thema der Technologie dürfte alle Freunde der Digital Humanities freuen, denn genauer heisst es in der Erklärung, dass das Kulturerbe einen Kontext bietet, die Potentiale und Möglichkeiten auszuloten, die sich im digitalen Zeitalter ergeben ("context for measuring the potentials and opportunities generated by the digital era"). Das ist m.E. richtig, aber sicher kein zentraler Punkt in der generellen Bedeutung des kulturellen Erbes.

Das Wichtigste, was Kulturerbe für die Gesellschaft leistet, fehlt hier, wie so oft: 
  1. Reflektions- und Orientierungswissen  zur Einschätzung unserer Gegenwart durch die Chance auf eine fundierte, (selbst)kritische Auseinandersetzung mit menschlichen Gesellschaften und ihren Mythen
  2. eine zukunftsgerichtete Sensibilisierung für die langfristigen Folgen menschlichen Handelns 
  3. ein Gespür für die Verantwortung in der Zeit.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich verstehe die Vorbehalte gegenüber dem Faktor der Wirtschaftlichkeit, doch ist es mit Sicherheit für die meisten Menschen der nachvollziehbarste und deshalb vielleicht sogar der wichtigste. Die Erhaltung und eventuell auch archäologische Erschließung des Kulturerbes bedarf oft erheblicher Investitionen. Die Frage stellt sich dann auch immer nach der Reinvestition. Steht diese z.B. als erheblicher Wirtschaftsfaktor außer Zweifel, dann steht das Kulturerbe auf der sicheren Seite, auch wenn es mehr Vehikel für die Erhaltung darstellen mag, für die es sehr viel wichigere Argumente gibt. Entscheiend ist "was hinten rauskommt". Wenn sie für ein Baudenkmal keine Nutzung finden, ist Investition in den Erhalt nicht nachvollziehbar und wirkt wie rausgeschmissenes Geld.