Montag, 15. Dezember 2014

„Don’t buy this stuff!“ – Zur Berliner Tagung „Kulturgut in Gefahr-Raubgrabungen und illegaler Handel“

Jutta Zerres

„Was tun?" angesichts weltweit zunehmender Raubgräberei und dem boomenden Handel mit den geplünderten Kulturgütern fragten sich am 11. und 12. Dezember die Teilnehmer der internationalen Tagung, zu der das Deutsche Archäologische Institut, die Stiftung Preussischer Kulturbesitz und der Deutsche Verband für Archäologie eingeladen hatten.

Es geht um nichts geringeres als das kulturelle Gedächtnis der Menschheit, das im Boden in Form von Befunden und Kleinfunden konserviert ist.
Raubgrabungen  sind zwar gewiß keine neue Erscheinung. Jedoch haben die politischen Krisen der jüngeren Vergangenheit insbesondere im Nahen Osten das Problem vielfach verstärkt. Allerdings wäre es eine glatte Fehleinschätzung, dass das Phänomen auf diese Regionen beschränkt wäre; es hat sich weltweit zu einer veritablen Bedrohung entwickelt. Die Bandbreite der Motivationen der Akteure ist breit. Sie liegen im puren ökonomischen Überlebenskampf, aber auch in einer überbordenden Gewinnsucht.  Dass Terroristen neuerdings ihre Aktivitäten u. a. auch mit dem Verkauf von illegal ausgegrabenen Objekten finanzieren und Kulturstätten feindlicher Gruppen aus ideologischen Gründen zerstören ist da nur das Tüpfelchen auf einem per se schon höchst abscheulichen „i". Wie mehrfach im Laufe der Tagung betont wurde, hält das deutsche Recht derzeit keine geeigneten Maßnahmen zur Beschränkung des Handels mit archäologische Objekten bereit, um dem Fortschreiten des Desasters etwas entgegen zu setzten. Vielmehr machten die laxen Gesetze Deutschland zu einem Umschlagplatz für diese Ware.

Um der Sache von Seiten der deutschen Gesetzgebung endlich angemessen begegnen zu können, plant Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine Gesetztesnovelle des Kulturgutschutzgesetztes von 2007. Die Tagung sollte mit Ideen, Verbesserungsvorschlägen und Konzepten dafür den Boden bereiten.

Politisch war die Sache hoch aufgehängt: Das Auswärtige Amt stellte seinen „Weltsaal" zur Verfügung und die Begrüßungsworte sprachen vor den Repräsentanten der einladenden Institutionen die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Maria Böhmer und die Initiatorin der Gesetzesnovelle selbst.

Anwesend waren neben Archäologen und Juristen auch zahlreiche Pressevertreter von namhaften Medien. Für Archäologen ist so eine hohe Aufmerksamkeit für ihre Anliegen eher gewöhnungsbedürftig; Tagungen finden im Allgemeinen ohne nennenswert Anteilnahme der Öffentlichkeit statt. Das große Medienecho (s. u.) kann also die Fachvertreter, die sich nach Aussage des Leiters des DAI Kairo St. Seidlmayer ab dem ersten Semester der Marginalität ihres Exotenfaches bewußt sind, nicht kaltlassen.

Ungewöhnlich war auch die Anwesenheit von Vertretern des Kunsthandels, denen die geplante Gesetzesnovelle als eine Art Damoklesschwert erscheinen muss. Je nachdem wie die Änderungen ausfallen, könnte es passieren, dass ihnen zukünftig das eine oder andere goldene Vlies davonschwimmt.



Der erste Tag war der Darstellung des bestürzenden Status quo gewidmet. M. Adulkarim, der Generaldirektor der staatlichen Verwaltung für Antiken und Museen in Syrien, der ägyptische Minister für Antiken und Kulturgut El-Damaty und H. Mohammed Abbas al-Badrawi, Vertreterin des Irakischen Nationalmuseums schilderten die Situation in ihren Ländern. Danach richtete sich der Blick ins subsaharische Afrika. Es berichteten M. Oluwaseyi Hombolu von der Universität Abuja für Nigeria und S. L. Macamo vom mosambikanischen Ministerium für Kultur sowie D. Muianga (Eduardo Mondlane Universität) für das ostafrikanische Land. Es folgten Berichte zur Situation in Mexiko und Griechenland.

Dass Raubgrabungen und illegaler Handel nicht nur irgendwo in der Ferne stattfinden, sondern vor der eigenen Haustür verdeutlichten die Vorträge von J. Scheschkewitz und E. Laufer. Scheschkewitz ging auf die Sondengängerproblematik ein und stellte einige Fälle von Raubgrabungen in Deutschland vor, u. a. die prominenten Beispiele der Himmelscheibe von Nebra und des „Barbarenschatzes" von Rülzheim vor. E. Lauffer wünschte sich auf Basis seiner Erfahrungen als Koordinator für Kulturgüterschutz beim LKA Hessen mehr sachkundiges Personal der Polizei und Staatsanwaltschaft, bessere gesetzliche Regelungen, eine konsequentere Anwendung der bestehenden Gesetze, eine verbesserete Öffentlichkeitsarbeit und den lückenlosen Herkunftsnachweis für archäologische Objekte. Deutlich wurde in den Beiträgen, dass die Situation innerhalb Deutschlands keineswegs zufriedenstellend ist.

Der zweite Tag begann mit einer Sektion über rechtliche Maßnahmen, die zur Gewährleistung des Kulturgüterschutzes ergriffen werden müssten. Danach ging es um die Relevanz von ethischen Grundlagen. A. Scholl, Leiter der Antikensammlung auf der Museumsinsel stellte die Berliner Erklärung von 1988 vor, die die Richtlinie für das Verhalten seines Hauses bildet und F. Desmarais vom internationalen Museumsrat sprach über den „ICOM's Code of Ethics for Museums".

Maßnahmen gegen den illegalen Handel sind auch Dokumentation und Datenbanken. Hierzu stellte R. Förtsch das gemeinsame Projekt des DAI und des Museums für Islamische Kunst Berlin zur Erstellung eines digitalen Kulturgüterregisters für Syrien vor und F. Bartolotti sprach über die Interpoldatenbank „Psyche". Solchen Dokumentationen sind allerdings nur geeignet für bereits bekannte Objekte. Das im Boden befindliche Material wird dadurch nicht geschützt.

Einigkeit herrschte darüber, dass die Sensibilität für die Anliegen des Kulturgüterschutzes in der Öffentlichkeit (Neudeutsch: Awareness-Raising) gestärkt werden müsse. Hierzu sprachen M. Müller-Karpe, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, S. Karfeld vom Bundeskriminalamt und St. Seidlmayer (Leiter der Abteilung Kairo des DAI).

H. Parzingers Resümée der zwei intensiven und lehrreichen Konferenztage verdeutlichte, dass der Weg zu einem verbesserten Kulturgüterschutz vielschichtig ist und die bestehenden Probleme nicht alleine mit einer Gesetzesnovelle zu lösen seien. Viele Kräfte müssen an einem Strang ziehen. Es sei von Seiten der Gesetzgebung nötig, festzulegen, dass eine Einfuhr von archäologischen Objekten nach  Deutschland nur erfolgen kann, wenn diese mit einer Ausfuhrgenehmigung des Herkunftslandes und einem lückenlosen Provenienznachweis (Stichworte „Objekt-ID" oder „Fahrzeugschein") ausgestattet seien. Außerdem müsse mehr Dunkelfeldforschung betrieben werden, denn derzeit wisse man zu wenig über die Wege, die geraubte Objekte nehmen und über die daran beteiligten Personen. Polizei und Staatsanwaltschaft benötigten eine bessere personelle Ausstattung. Ein weiteres wichtiges Element sei die Schärfung des Bewußtseins in der Öffentlichkeit, sowohl in Deutschland als auch in den betroffenen Ländern. An die Museen erging die Aufforderung, verstärkt Provenienzforschung der eigenen Sammlung zu betreiben. Statt weitere Ankäufe zu tätigen, sollte der Fokus viel mehr auf die Erforschung und Digitalisierung der Bestände sowie die Ausleihe von anderen Museen gelegt werden. Vom Kunsthandel forderte er eine Selbstverpflichtung zukünftig deutlicher auf die Herkunft der gehandelten Objekte zu achten.


Last but not least: Niemand soll archäologische Objekte kaufen. Wo keine Käufer, da keine Plünderungen. F. Desmarais vom ICOM brachte es in ihrem Vortrag auf den Punkt „Don't buy this stuff!"


Links (mit Nachträgen 17.12.2014)


Stellungnahmen aus der Politik:

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