Montag, 28. April 2014

Raubgräber - Grabräuber

Peter-René Becker/ Christina Wawrzinek (Hrsg.)
Raubgräber - Grabräuber

(Mainz: Nünnerich Asmus Verlag 2013)

ISBN 978-3943904192

Hardcover, 191 Seiten

29,90€

Als Begleitbuch zu einer Ausstellung im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg (11. Mai - 8. September 2013) ist diese Aufsatzsammlung zum Thema Raubgrabungen erschienen. Sie wendet sich nach dem Grußwort zu schließen an ein breiteres Publikum und bietet einen Appell:
Systematische Erforschung gemeinsam mit den Archäologen bereichert unser Leben; egoistisches Raubgraben schafft archäologische Wüsten. (S. 8)
Deutlicher als Grußwort und Vorwort der Herausgeber macht die Verlagsankündigung das Anliegen des Buches deutlich. Es geht dem Buch nicht um Anklage, sondern um "Aufklärung".
Thematisiert wird daher die Bedeutung des Fundzusammenhangs in der archäologischen Forschung und es wird an konkreten Beispielen auch deutlich, welche Bedeutung auch Oberflächenfunden und deren genauer Dokumentation zukommt. Die Aufsätze behandeln überwiegend das Raubgräberproblem in Deutschland, zeigen Fälle von Plünderung und Informationsverlust. Beiträge aus Frankreich, Italien und Griechenland verweisen auf die internationale Dimension und das Problem der Antikenhehlerei.

Inhaltsverzeichnis
  • Gabriele Heinen-Kljajic: Grußwort (S. 7)
  • Peter-René Becker & Christina Wawrzinek: Vorwort der Herausgeber (S. 9)
  • Frank Both: Der archäologische Befund und seine Bedeutung (S. 11)
  • Ulf Ickerodt: Mythos Grabräuber, Abenteurer und Raubgräber (S. 19)
  • Henning Haßmann: „Schon was gefunden?“ Vom unglücklichen Begriff „Schatz“ (S. 31)
  • Michael Geschwinde: Schlachtfeldarchäologie: Forschung mit der Metallsonde am Harzhorn  (S. 35)
  • Bernd Rasink: Der Goldhort von Gessel. Ein geschlossener Fund beflügelt die archäologische und naturwissenschaftliche Forschung (S. 41)
  • Henning Haßmann: Das große Geschichtspuzzle. Die Suche nach unserer Vergangenheit interessiert alle – daher gibt es Regeln! (S. 53)
  • Stefan Flindt: Die Lichtensteinhöhle bei Osterode am Harz – eine Raubgrabung zwingt zum Handeln (S. 61)
  • Jonathan Scheschkewitz: Raubgräber und Sondengänger in Baden-Württemberg (S. 69)
  • Helmut Luley: Pragmatischer Umgang mit der Schatzsucher- und Raubgräber-Szene im Rheinland (S. 77)
  • Alfred Reichenberger: Der geraubte Himmel – Die abenteuerliche Fundgeschichte der Himmelsscheibe von Nebra (S. 85)
  • Marion Brüggler & Julia Obladen-Kauder: Raubgräber und beraubte Gräber: Das Beispiel Südfriedhof von Asciburgium, Moers, Kr. Wesel (NRW) (S. 93)
  • Thomas Becker & Bernd Steinbring: Der Gesellschaft gestohlen – Raubgrabungen in Hessen (S. 101)
  • Jean-David Desforges & Jean-Jacques Grizeaud: Plünderungen archäologischer Fundstellen in Frankreich und der illegale Einsatz von Metalldetektoren (S. 111)
  • Daniel Graepler: Italiens Kampf gegen Raubgrabungen und illegalen Antikenhandel (S. 129)
  • Torsten Mattern: Antikenschutz und Raubgräbertum in Griechenland (S. 137)
  • Jens Lehmann: Raubgrabungen in der Paläontologie – Fossilien im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Kommerz (S. 147)
  • Julia Linn: Grabraub gleich Grabraub? Ein Argument für die ethnologische Perspektive bezüglich des Grabraub-Phänomens (S. 159)
  • Thomas Claus: Markt versus Deutung. Kunsthandel im Konfliktfeld illegaler Archäologie (S. 167)
  • Helmut Luley: Die Arbeit der Kommission „Illegale Archäologie“ im Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland (S. 175)
  • Jana Esther Fries: Nicht nur für Profis. Möglichkeiten der freiwilligen Mitarbeit in der archäologischen Denkmalpflege (S. 179)
  • Danksagung an die Leihgeber und Autorenverzeichnis (S. 186)
  • Das Landesmuseum Natur und Mensch. Die Vielfalt Nordwestdeutschlands unter einem Dach (S. 189)
Im Gegensatz zu anderen Informationsmaterialien zum Thema Raubgrabungen schwingt der Band einmal nicht die Gesetzeskeule und winkt nur mit Paragraphen. Er versucht zu erklären und zu vermitteln, indem einerseits gezeigt wird, was für Schäden das Graben nach Funden anrichtet, andererseits aber auch Möglichkeiten der freiwilligen Mitarbeit in der Archäologie aufgezeigt werden.
Aber erreicht der Band das eigentliche Zielpublikum - den potentiellen Raubgräber? Wohl eher nicht! Wer beispielsweise neu als Sondengänger loszieht, nimmt das erst mal als harmloses Hobby wahr und fühlt sich von dem Titel des Bandes nicht angesprochen. Kaum einer 'der' Sondengänger sieht sich als Raubgräber und wird schon aus Verärgerung wegen des Titels den Band meiden. Wer es tatsächlich kriminell auf Profit angelegt hat, wird über den Band allenfalls grinsen. 
Das Thema gehört heute nicht mehr in ein Buch (jedenfalls nicht ausschließlich). Es gehört ins Internet, so dass Menschen, die sich neu für Archäologie interessieren und über die Anschaffung einer Sonde nachdenken, leicht verständliche Informationen und Positionen von archäologischer Seite finden und verstehen lernen, was für einen Schaden sie anrichten können. Hier besteht ein erhebliches Defizit! Die Informationen, die in vorliegendem Band gegeben werden, sind wichtig und müssten sehr leicht gefunden werden und leicht erreichbar sein (Open access!).

3 Kommentare:

Silvia Bestgen hat gesagt…

Als Aktivling der Living History Szene erlebe ich die Diskusionen um Sondengänger immer wieder mal in Foren. Das Großteil der Mitstreiter ist eindeutig dagegen.
Dennoch finden sich im Internet erschreckend viele Kleinfunde die man kaufen kann. Erst gestern als ich noch Mirror + Medival suchte.
Was kann man tun, wenn man über solche Dinge stolpert, wo kann man das melden ?

LESEFUNDE BLAUBEUREN hat gesagt…

Da sind sie wieder, die beiden "bösen Vokabeln" Aufklärung und Defizit. Nach einer Verlautbarung der DGUF soll Aufklärung kontraproduktiv sein, weil sich die damit Angesprochenen als "defizitär" empfinden. Handelt es sich de facto aber wie hier auch an gesprochen lediglich um ein (Informations-) Defizit? Winston Churchill soll gesagt haben: "Persönlich bin ich immer bereit zu lernen, obwohl ich nicht immer belehrt werden möchte." Es ist aber nicht nur das Defizit an Informationen, das das hedonistische Treiben befeuert. Differenzierte Motivlagen führen zu jeweils einem bestimmten Habitus. Ich werde dieses Buch lesen, denke aber, dass die Kluft zwischen den Habitusformationen von Schatzsuchern und dem Forscherhabitus durch Information allein unüberwindbar ist. Der jeweilige Habitus ist kategorial anders. Schatzsucher so fürchte ich, bleiben Schatzsucher. Das Hobby wird oft mit einer ganz eigenen, großen Professionalität betrieben. Ich gehe darin konform: für den notwendigen Dialog ist die Buchform ein unzureichendes Medium. R.B.

Heimatforschung Celle hat gesagt…

Interessante Thematik. Aufgrund der kürzlich Entwicklungen habe ich mich damit in meinem Blog ebenfalls beschäftigt (http://found-places.blogspot.de/2014/02/barbaren-raubgraber-und-das-woruber.html)

Schlimm ist vor allem, dass in den Medien seit Langem die falschen Vokabeln gewählt werden. So lange von "Schatzsuche" die Rede ist, wird keine zielgerichtete Debatte zustande kommen...

Schöner Blog.

Viele Grüße